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HBO Datenbank - Bericht

Autor: Tosch, Frank
Titel: Der Gluecksfall einer guten Schule
Erscheinungsjahr: 1998
zusätzl. Angaben zum Autor: Universitaet Potsdam, Institut fuer Paedagogik
Text des Beitrages:    "Der Gluecksfall einer guten Schule" Universitaet Potsdam zeigte Ausstellung ueber die  Hamburger Lichtwarkschule 

Ca. 60 Studierende und Lehrerbildner hatten sich am 5. Mai 1998 zur Eroeffnung einer Ausstellung ueber die ehemalige Lichtwarkschule versammelt. Diese Ausstellung ueber eine Hamburger Reformschule der Weimarer Zeit ist eine Leihgabe des Hamburger Schulmuseums. Sie wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Reiner LEHBERGER (Uni Hamburg) konzipiert, der auch den Eroeffnungsvortrag in Potsdam hielt. Nach mehrmaliger erfolgreicher Praesentation der Ausstellung in Hamburg wurde sie bis zum 26. Mai von der Professur fuer Historische Paedagogik (Prof. Dr. Hanno SCHMITT) und der ihr angeschlossenen Forschungsstelle fuer Berlin Brandenburgische Bildungsgeschichte (Dr. Frank TOSCH) an der Universitaet Potsdam gezeigt. 

Eine Ausstellung ueber eine Hamburger Reformschule in Potsdam? 

In der Weimarer Republik galt die Lichtwarkschule als eine weit ueber die Stadtgrenze Hamburgs hinaus bekannte Reformschule und hat in jenen Jahren nicht nur viel zum Ruf Hamburgs als "Stadt der Schulreformen" beigetragen, sondern auch ganz wesentliche Impulse und Wirkungen fuer Schulreformen in Berlin und Umgebung erzeugt.
Waehrend die anderen Reform- und Versuchsschulen nicht nur der Hansestadt groesstenteils Volksschulen waren, war die Lichtwarkschule eine Schule des hoeheren Schulwesens, d.h. im Regelfall verliessen ihre Schuelerinnen und Schueler die Einrichtung mit dem Reifezeugnis und der Berechtigung zum Studium an einer Universitaet. 

Reformschulen im hoeheren Schulwesen waren allerdings nicht nur in Hamburg eine Ausnahmeerscheinung. Zu den wenigen Schulen zaehlt die schulgeschichtliche Forschung fuer das gesamte Deutsche Reich in der Weimarer Zeit neben der Lichtwarkschule v.a. die Schulfarm Insel Scharfenberg und die Karl-Marx-Schule beide in Berlin, die Berthold-Otto-Schule in Magdeburg sowie die Domschule in Luebeck. 

Da die Lichtwarkschule 1937 von den Nationalsozialisten aufgeloest und nach Ende des Krieges nicht wiederbelebt wurde, schien diese bedeutende paedagogische Institution nach 1945 in Vergessenheit geraten zu sein. Vor allem ehemalige Lichtwarkschueler wie Loki und Helmut SCHMIDT (Bundeskanzler von 1974 bis 1982) haben in juengster Zeit Erhebliches zur Erinnerung an diese Reformschule beigetragen. Wiederholt haben sie den grossen positiven Einfluss ihrer Schulzeit auf ihre individuelle und spaetere berufliche Entwicklung beschrieben.
In dem Buch "Kindheit und Jugend unter Hitler" (Goldmann-Verlag 1994) fuehrt Helmut SCHMIDT unter der UEberschrift "Der Gluecksfall einer guten Schule" als paedagogische Besonderheiten u.a. die Anleitung zum selbstaendigen Arbeiten, das partnerschaftliche Verhaeltnis zwischen Lehrern und Schuelern und die Betonung von Literatur, bildender Kunst und Musik an. 

Das paedagogische Profil dieser Schule steht auch im Mittelpunkt der Ausstellung. So vor allem die Konzeption des fachuebergreifenden Unterrichts in den kulturkundlichen Faechern (Deutsch, Geschichte, Religion), die Einbeziehung ausserschulischer Unterrichtsorte (v.a. durch die mit dem Unterricht verbundenen Schuelerreisen), die besondere Betonung des Sportunterrichts durch die taegliche "Turnstunde" sowie der hohe Stellenwert der aesthetischen Erziehung im Rahmen hoeherer Schul- bildung. 

Ziel der Ausstellungspraesentation in Potsdam war es, dass die paedago- gischen Intentionen und Erfahrungen dieser Reformschule in den Diskus- sionsprozess um die innere Schulreform v.a. der heutigen gymnasialen Oberstufe an Gymnasien und Gesamtschulen im Land Brandenburg mit einbezogen werden. 

Die Ausstellung richtete sich v.a. an Lehrende und Studierende erzie- hungswissenschaftlicher Studiengaenge, auch an Lehrerinnen und Lehrer von Schulen im Potsdamer Raum, die Impulse und Anregungen fuer die paedagogische Profilbildung ihrer Schule suchen. Sie war ein in dieser Form bisher nicht praktiziertes Forum fuer intensive Gespraeche und Ort des Erfahrungsaustausches zwischen Erziehungswissenschaft, Schulpraxis und Schulverwaltung. 

Eine von Reiner LEHBERGER herausgegebene Broschuere mit den wichtigsten Quellen der Lichtwarkschule unterstuetzte dieses Anliegen. Sie kann entweder ueber das Hamburger Schulmuseum oder ueber die Forschungsstelle fuer Berlin-Brandenburgische Bildungsgeschichte am Institut fuer Paedagogik der Universitaet Potsdam bezogen werden. 

Als Begleitprogramm zur Ausstellung fand am 15. Mai 1998 ein von den Ausstellungsorganisatoren in Potsdam veranstalteter Workshop "Historische Reformschulen: Modelle fuer heutige gute Schule" statt.
Hier wurde die Lichtwarkschule als Zentrum reformpaedagogischer Bemuehungen in ihren Vernetzungen zu Schulprojekten und Personen im Berliner Raum in der Weimarer Zeit diskutiert und nach dem Ertrag reformpaedagogischer Theorie und Praxis unter veraenderten historischen Rahmenbedingungen fuer die Schule von heute gefragt. Impulsreferate hierzu hielten Dietmar HAUBFLEISCH (Uni Marburg) ueber reform- paedagogische Beziehungen zwischen Hamburg und Berlin in der Weimarer Zeit, Berichte von Joern GARBER (Uni Halle) sowie Franklin KOPITZSCH (Uni Hamburg) ueber Historische Bildung und Kulturkunde bei der Lichtwarkschullehrerin Erna STAHL aus erlebter Schuelerperspektive sowie Hartmut ALPHEI (Odenwaldschule) zur o.g. Workshop-Thematik am Beispiel der Odenwaldschule. 

Es waere den Projektbeteiligten des Hamburger Schulmuseums zu wuenschen, dass diese Ausstellung an weiteren Bildungseinrichtungen gezeigt werden koennte. Interessenten wenden sich bitte an Prof. Dr. Reiner LEHBERGER, Hamburger Schulmuseum, Neustaedter Strasse 60, 20355 Hamburg, Tel.: (040) 352946. 

Frank TOSCH 

 

Erfassungsdatum: 05. 02. 1999
Korrekturdatum: 02. 04. 2004