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HBO Datenbank - Rezension

Rezensent(in): Füssl, Karl-Heinz
Rezensiertes Werk: Hein-Kremer, Maritta: Die amerikanische Kulturoffensive : Gründung und Entwicklung der amerikanischen Information-Centers in Westdeutschland und West-Berlin 1945-1955. Köln u.a.: Böhlau Verlag 1996. (Beiträge zur Geschichte der Kulturpolitik, hrsg. von Kurt Düwell, Bd. 6) Br., 625 S., ISBN 3-412-12395-1
Erscheinungsjahr: 1999
Text der Rezension:    

 


Hein-Kremer, Maritta: Die amerikanische Kulturoffensive. Gründung und Entwicklung der amerikanischen Information-Centers in Westdeutschland und West-Berlin 1945-1955.  
Köln u. a.: Böhlau Verlag 1996  
(Beiträge zur Geschichte der Kulturpolitik, hrsg. von Kurt Düwell, Bd. 6)  
Br., 625 S., ISBN 3-412-12395-1, DM 138,-  
 

Rezensiert fuer HBO von  
PD Dr. Karl-Heinz Füssl (fuessl@rz.hu-berlin.de)  
Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Allgemeine Pädagogik, Abt. Historische Erziehungswissenschaft  
 

Die 1994 an der Universität Trier eingereichte Dissertation ist nicht zu Unrecht mit dem Fulbright-Preis ausgezeichnet worden, versteht sie es doch in einem überzeugenden Maße, das umfangreich gesichtete Archivgut mit den Ergebnissen der nahezu überbordenden Forschungsliteratur anschaulich und informativ zu verbinden. Der Beitrag verfolgt einmal die Zielsetzung, eine Darstellung der Entwicklung der amerikanischen Kulturpolitik unter dem Gesichtspunkt der Problematik von Kontinuität, Wandel und Brüchen (Stunde Null) zu leisten. Zum anderen wird die wirkungsgeschichtliche Frage gestellt, was die jeweiligen Abschnitte oder Etappen der amerikanischen Kulturpolitik im komplexen Geflecht intentionaler und politischer Gegebenheiten bei den Mentalitäten ausgelöst und vor allem wie sie das Amerikabild der Deutschen geprägt haben.  

Nach der Landung in der Normandie 1944 richteten das Office of War Information (OWI) und die Psychological Warfare Division (PWD) kleinere Institutionen mit Informationsmaterialien in den befreiten Gebieten ein, um die nationalsozialistischen Einflüsse durch Aufklärung zu korrigieren. Die Planungsphase für das weitere Vorgehen dauerte vom Frühjahr 1944 bis in den Sommer 1945, als das erste Informationszentrum im besetzten Deutschland eröffnet wurde. Zunächst waren diese Informationsstellen jedoch nicht für die Benutzung durch die Öffentlichkeit gedacht, sondern standen ausschließlich Militärangehörigen zur Beschaffung von Information im Rahmen ihrer Tätigkeit zur Verfügung. Der stufenweise Aus- und Aufbau der Informationsbibliotheken war in den wichtigen Städten der US-Zone unter der Bezeichnung United States Information Centers bis zum Juli 1946 abgeschlossen. Nachdem Ende 1946 die amerikanische "Re-education"-Politik Gültigkeit erlangte, wurden bis zum Jahreswechsel 1946/1947 auch die Information Centers offiziell in das informationspolitische Besatzungskonzept der USA einbezogen. Unter dem Anspruch eines kulturellen Fensters zum Westen wandelten die US-Centers nun ihre Funktion vom ursprünglichen Instrument der Freundschaftswerbung und der Ausweitung des kulturellen Einflusses der USA zu der neuen Aufgabe, den Aufbau einer demokratischen Gesinnung zu unterstützen.  

Nicht aufgelöst wird allerdings der offenkundige Widerspruch, wie die Zentren die Funktion der Freundschaftswerbung und Ausweitung des Kultureinflusses der USA ausgeübt haben sollten, wenn gleichzeitig die Nutzung ausschließlich den Militärangehörigen für interne Zwecke vorbehalten blieb.  

Entsprechend dem Vorbild amerikanischer öffentlicher Büchereien gingen die Veranstaltungen in den US-Centers weit über den rein technischen Nutzungsrahmen einer Bibliothek hinaus. Die Vorbildfunktion des amerikanischen Bibliothekswesens zeitigte nicht nur mit dem neu eingeführten Verfahren der Fernleihe, sondern auch mit der Übernahme des amerikanischen Freihandsystems in deutschen Büchereien Folgen.  

Der sich verschärfende Ost-West-Gegensatz führte zu einem enormen Bedeutungsaufschwung der Einrichtungen, deren Lektüreangebot nunmehr um antikommunistisches Schriftgut erweitert wurde. Eine langsame, aber stete Steigerung zeigten die Besucherzahlen: Bis Ende 1949 existierten in der US-Zone 25 der seit 1947 so bezeichneten Amerika-Häuser, deren Bekanntheitsgrad von Mitte 1947 bis 1950 stark anstieg. Je nach Einzugsgebiet variierte der Bekanntheitsgrad zwischen 62 % und 74 % aller Befragten. Während 1948 nur ein Prozent der Bevölkerung die Angebote nutzte, stieg die Quote im Jahr 1950 auf 7 %, um sich dann bis 1953 auf rund 15 % zu erhöhen. Die Besucherquote blieb bis Ende 1955 stabil und verringerte sich erst nach der Verbreitung des Fernsehens. Die Angebote richteten sich insbesondere an jüngere Zielgruppen, da den amerikanischen Annahmen zufolge Jugendliche am leichtesten für demokratische und proamerikanische Vorstellungen zu gewinnen wären. Die entsprechenden Zahlen belegen auch, daß sich die Gruppe der 15-19jährigen Jugendlichen zu 19 %, die der 20-22jährigen zu 25 % regelmäßig in den Leseräumen der amerikanischen Einrichtungen aufhielt.  

In den Amerika-Häusern fand der Interessent die gesamte Bandbreite des kulturell-gesellschaftlichen sowie des bildungs- und informationspolitischen Engagements der USA an einem Ort vor. Folgenlos für die inhaltliche Programmgestaltung der Amerika-Häuser, so die Darstellung, blieb der Wandel von der "Re-education"- zur Reorientation-Politik, die Modifikation vom Prinzip der direkten Intervention zu Methoden indirekter Einflußnahme. Die damit verbundene Verlagerung bestimmter Zielvorgaben, etwa die Nutzung auch als politische Informationszentren im Jahr 1947, bedeutete keine generelle Abkehr von dem bis dahin verfolgten Prinzip der Demokratisierung.  

Seit 1949 wurde das Programmangebot auch auf das britische Besatzungsgebiet ausgedehnt. Bis 1953 waren die Amerika-Häuser derart umfassend in die bundesdeutsche Kultur- und Bildungslandschaft eingebunden, daß die Amerikaner befürchteten, die Kulturhäuser würden ihre originäre Identität als Demokratisierungsinstanz verlieren. Die Zusammenarbeit mit Schulen, Volkshochschulen und anderen Institutionen war soweit gediehen, daß das Ausleihen von Filmen und Dias, die Organisation von Diskussions- oder Informationsveranstaltungen mittlerweile einen unübersehbaren Beitrag zur deutschen Bildung leistete, den die Autorin in den Rang "bildungspolitischer Relevanz" erhebt. Die Mehrzahl der Besucher verfügte über eine höhere Schulbildung. Schon unter der Militärregierung war das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Deutschen und Amerikanern zentrale Arbeitsgrundlage. Zum Ende der Militärregierung hatten auch die Amerika-Häuser ihren Höhepunkt quantitativer Verbreitung. Im Vordergrund stand das Bestreben, durch Fakten zu überzeugen und die Kritikfähigkeit der Deutschen zu stärken.  

An diesem Punkt hätte sich der bildungshistorisch interessierte Leser freilich mehr Einsichten über das Innenleben der Amerika-Häuser und die alltägliche Praxis ihrer Nutzung durch deutsche Besuchergruppen gewünscht. Insbesondere die genauere Betrachtung der Wirkung auf schulische und außerschulische Bildungsprozesse und die Formen der institutionellen Zusammenarbeit wären hier von Bedeutung und hätten die behauptete bildungspolitische Relevanz sichtbar machen können. Eine deutlichere Einbeziehung dieser Fragestellung in die Analyse hätte dann auch Aussagen treffen können, inwiefern die Nutzung der Amerika-Häuser durch deutsche Bildungseinrichtungen zu der nach 1945 häufig argumentierten schulischen Restauration beitrug oder ob die Verwendung neuer Medien und der etwaige Einbezug neuer Unterrichtsinhalte nicht im Gegenteil Ansätze einer inneren Schulreform begünstigte.  

1953 übernahm die United States Information Agency (USIA) das Programm, was aber, so erneut die Autorin, kaum Einfluß auf Inhalte und Organisation ausübte. Vielmehr begleitete die administrative Übernahme den offiziellen Versuch, die Reziprozität kultureller Beziehungen auf der Basis des im gleichen Jahre abgeschlossenen deutsch-amerikanischen Kulturabkommens herzustellen. Ein grundlegender institutioneller Wandel erfolgte erst 1955 mit dem Aufbau deutsch-amerikanischer Institute und beginnender, fast gleichberechtigter Zusammenarbeit von Deutschen und Amerikanern bei der Institutsleitung. So kennzeichnet die Entwicklung der Jahre von 1949-55 die stete Zunahme deutscher Souveränität und die parallele Entwertung der Amerika-Häuser als Instrument US-amerikanischer Außenpolitik. Zudem sind die von 1948 bis 1953 kontinuierlich steigenden Besucherzahlen als Beleg für die positiv aufgenommene Intention zu werten, Information und politische Inhalte miteinander zu verbinden und damit auf jede Propaganda zu verzichten.  

Ein Fazit wird sich der Erkenntnis nicht verschließen können, daß die Arbeit eine weitere Lücke im Kontext der deutsch-amerikanischen Beziehungen schließt, indem sie die amerikanische Besatzungs- und Nachkriegspolitik nach 1945 unter dem Gesichtspunkt des kulturpolitischen Gesamtrahmens und der unter diesem Terminus gemeinhin bekannten Amerika-Häuser beleuchtet. Dennoch wird eine weiterführende Forschung die Frage nachdrücklich behandeln müssen, welche Auswirkungen die amerikanische Politik mit den neu in Deutschland gegründeten Institutionen konkret auf die Mentalitäten, das Amerikabild und insbesondere die Prozesse der politischen Sozialisation hatte.  
 
 
 

Erfassungsdatum: 22. 01. 1999
Korrekturdatum: 02. 04. 2004