Darstellung des Forschungsvorhabens: | Seit 1764 werden die Lebensläufe und Lebensberichte von Mitgliedern der Herrnhuter Brüdergemeine gesammelt und seit Anfang des 18. Jahrhunderts im zentralen Archiv der Gemeinde (in Herrnhut) gesammelt und bewahrt - inzwischen ca. 30.000 Dokumente. Dieser einzigartige Textkorpus ist vielen Erkenntnisinteressen zugänglich, vornehmlich solchen erziehungs- und bildungshistorischer Art. Das Projekt nimmt die Texte als Dokumente religiöser Sozialisation, eines entsprechend bestimmten kollektiven Bewusstseins und der dazugehörenden sozialen Lebensform. Sieht man auf den Textcharakter, so werden die Dokumente als Bildungsbiographie (subjektiver Text, Lebenstext), als sozialer Lehrtext und als gesellschaftliche Kommunikationsform gelesen. In diesen drei Hinsichten soll eine repräsentative Auswahl von ihnen (ca. 260 Stück; ca. 5200 Seiten handschriftlicher, maschinenschriftlicher oder gedruckter Text) historisch-systematisch interpretiert werden. Die Interpretation hat zwischen Textintention und Textfunktion, zwischen subjektiver und kollektiver Mitteilung, zwischen unbewusster ("heimlicher") und öffentlicher Absicht sorgfältig zu unterscheiden. Methodisch stützt sich die Interpretation auf erziehungs- und kommunikationstheoretisch begründete und abgeleitete Such- und Leitbegriffe. - Für eine solche Interpretation, und da die Texte in den seltensten Fällen elektronisch eingelesen werden können, erübrigt sich eine Erschließung des Text-Korpus mit einem Textprogramm. Historisch rekonstruiert und aufgeschlossen werden sollen im Ergebnis u.a. die - je und je verschieden gelagerten - Mechanismen subjektiver Bildung und Bewusstseinsbildung unter der öffentlichen und privaten Kontrolle des Gewissens bzw. dem Zwang introspektiver Disziplinierung; · die Formen intergenerativer Kommunikation und pädagogischen Umgangs in einer unter Systemaspekten "geschlossenen" Gesellschaft. |