Text der Rezension: |
Der zu besprechende Sammelband
umfasst die überarbeiteten und erweiterten Fassungen der Vorträge,
die auf dem Spranger-Symposion im Juni 2000 an der Technischen Universität
Braunschweig gehalten wurden. Der Ort war bewusst gewählt: Seit Anfang
der 80er Jahre befindet sich das von Ludwig Englert in München begründete
Spranger-Archiv in der Abteilung Historisch-Systematische Pädagogik
des Instituts für Allgemeine Pädagogik an der Technischen Universität
Braunschweig. Initiator des Symposions war der dortige Lehrstuhlinhaber
Hein Retter.
Im Anhang des Sammelbandes
wird eine aufschlussreiche Archivalie des Spranger-Archivs in Braunschweig
erstmalig publiziert: eine - 1945 verfasste - autobiographische Skizze
Sprangers über seine Studienjahre 1900 bis 1909 in Berlin, ergänzt
durch kenntnisreiche Informationen des Spranger-Schülers Walter Eisermann
zu Eltern, Freunden und Lehrern Sprangers. Die "Skizze" vermittelt zum
einen ein plastisches Bild einer deutschen Universität zu Beginn des
20. Jahrhunderts und lässt deutlich werden, wie sehr sich die Gestalt
der deutschen Universität innerhalb von 100 Jahren gewandelt hat.
Zum zweiten zeigt sie sehr deutlich Sprangers Ringen um sein Ankommen in
der Wissenschaft, welches nicht geradlinig verlief, sondern immer wieder
von Krisen unterbrochen war. Besonders eindrücklich gelingt ihm die
Beschreibung seines - durchaus problematischen - Verhältnisses zu
Wilhelm Dilthey; als Sprangers besonderer Förderer erwies sich Friedrich
Paulsen. - Wies ich eben auf die Welten hin, die zwischen der Universität
von damals und der von heute liegen, so zeigen sich unter dem von Spranger
auch behandelten hochschuldidaktischen Aspekt wohl doch auch einige Kontinuitäten.
Spranger hebt hervor, "dass für einen völligen Anfänger
die didaktische Seite einer Vorlesung schlechtweg entscheidend" sei und
fährt fort: "Die berühmten und verdienten Männer, die damals
in Berlin lehrten, ließen sich in der Mehrzahl von diesem Gesichtspunkt
offenbar nicht bestimmen" (S. 198). Tun sie es heute?
Die Frage leitet zu dem
von dem Herausgeber Gerhard Meyer-Willner gewählten Titel und damit
Oberthema des Sammelbandes über: "Eduard Spranger. Aspekte seines
Werkes aus heutiger Sicht".
In seinem Beitrag "Zur Spranger-Forschung
in der Gegenwart - Rückblick und Ausblick" konstatiert Walter Eisermann
eine kontinuierliche Rezeption des wissenschaftlichen Werks Eduard Sprangers.
Das gegenwärtige Interesse an Sprangers Werk sei "zunächst ein
historisches" (S. 9). Hinzutreten müsse allerdings ein gezieltes Fragen
nach der gegenwärtigen Bedeutung des Werks Eduard Sprangers. Eisermann
ist von dieser optimistisch überzeugt: "Die Fortsetzung der wissenschaftlichen,
d.h. kritischen, Aufarbeitung des Sprangerschen Werkes bietet nicht nur
die Chance seiner erneuerten Aneignung, sondern darüber hinaus einer
Klärung [!] gegenwärtiger Sachprobleme in verschiedenen Themenbereichen"
(S. 11 f.). Eisermann nennt hier unter anderem: "Persönlichkeitsforschung",
"Frauenfragen", "Erzieher- und Erziehungsethik" sowie "Hochschulpolitik
und -entwicklung" (S. 12). Im Beitrag Eisermanns klingt Bewunderung für
die Leistungen seines Lehrers durch.
Die Position des Bewunderers
kann und will Heinz-Elmar Tenorth nicht einnehmen (vgl. S. 18), er sieht
allerdings das Werk Sprangers auch nicht generell als überholt an,
fragt vielmehr in seinem Beitrag "Sprangers Erziehungsphilosophie - ihre
Bedeutung für Pädagogik und Erziehungswissenschaft" nach den
für kritische Rezeption brauchbaren Aspekten der Erziehungsphilosophie
Sprangers. Andere Arbeitsbereiche Sprangers bleiben in Tenorths Darstellung
explizit ausgespart. Nach Tenorth zeichnet sich das Werk Sprangers durch
eine sehr starke Ambivalenz aus: "Historizität und innovativer Anspruch,
eine erstaunliche Begrenzung von Sichtweisen und ein Bewusstsein von unaufgebbaren
systematischen Kategorien des Erziehungsdenkens gehen in seinem Werk parallel"
(S. 16, S. 29). Als eindeutig überholte Tradition glaubt Tenorth "Erziehungsphilosophie
als normierende Rede" (S. 24) festhalten zu können. In Teilen seines
Werkes habe Spranger "positionelle Metaphysik an die Stelle der Reflexion
gesetzt - Bekenntnis statt Bildung, Glaube statt Analyse, Gewissen statt
Wissen" (S. 25). Noch von aktueller Bedeutsamkeit erscheinen Tenorth hingegen
die Zeitdiagnosen Sprangers, und zwar im Blick auf ihre systematisch-methodische
Seite (vgl. S. 21 ff.). Den wichtigsten Anknüpfungspunkt sieht Tenorth
jedoch in dem "kategorialen Apparat, mit dem er [Spranger] seine ‚Philosophische
Pädagogik` ausarbeitet" (S. 26) und verweist auf Sprangers Erklärung
des Bildungsprozesses "mit Hilfe der vierdimensionalen Figur der Relationierung
von ‚Bildungsideal, Bildsamkeit, Bildner und Bildungsgemeinschaft`" (S.
27). Spranger könne "Anschlussstücke liefern, die eine bildungstheoretisch
begründete Grundlagentheorie der Erziehung mit den Fragestellungen
humanwissenschaftlicher Forschung verbinden" (S. 28). Besonderes Interesse
Tenorths findet Sprangers posthum veröffentlichte, zwischen 1955 und
1960 entstandene Skizze "Eine neue Formel für das Problem der Pädagogik",
in der Spranger in der Interpretation Tenorths eine "Theorie der erfahrungsgesteuerten
Selbstregulation" entworfen habe (S. 28). Besonders wichtig erscheint Tenorth
hierbei, dass Spranger nun dem Problem der Bildsamkeit Priorität gegenüber
der Reflexion der Bildungsideale einräume (vgl. S. 29) und damit die
Erziehungswissenschaft nicht mehr vorrangig als Normwissenschaft verstehe.
(1)
Seine Interpretationen Sprangerscher
Texte versteht Tenorth als kritische Neukonstruktion und aktive Rezeption
derselben (ebd.).
Der nachfolgende Beitrag
Werner Sachers ist überschrieben mit "Der junge Spranger als Erziehungs-
und Schulpraktiker". Sacher beschreibt die Erziehung Ernst Löwenthals
in den Jahren 1900 bis 1904 und die Unterrichtstätigkeiten an der
Knauerschen und Böhmschen Mädchenschule von 1906 bis 1908 bzw.
von 1909 bis 1913. Das Quellenmaterial hierzu liefert der Briefwechsel
Sprangers mit Käthe Hadlich (eine von S. Martinsen und W. Sacher besorgte
Auswahl-Edition desselben ist soeben erschienen).
Bevor Sacher jedoch Sprangers
Erziehungs- und Unterrichtspraxis aus den Quellen rekapituliert, beleuchtet
er knapp die pädagogische Theorie des jungen Spranger. Zwei Merkmale
sind entscheidend. Sprangers Skepsis gegenüber aller intentionalen
Erziehung und sein Vertrauen auf die Wirkung der Erzieherpersönlichkeit.
Zum zweiten versteht Spranger Erziehung als Wertegeben, betont aber, dass
es nur darum gehen könne, das Wachstum des Wertlebens von innen heraus
anzuregen.
Was das erste Merkmal betrifft,
so stimmen Sprangers Theorie und Praxis überein. Sacher arbeitet heraus,
dass Spranger "fast alles auf die Wirkung seiner Persönlichkeit setzte
und sowohl besondere Erziehungsmaßnahmen als auch einen methodisch
sorgfältig geplanten Unterricht als ziemlich unwichtig ansah" (S.
48) (seine eigenen Hochschullehrer beurteilte er jedoch zumindest auch
nach anderen Kriterien als dem der Persönlichkeit!). Sacher sieht
in Sprangers Erziehungs- und Unterrichtsverständnis und seiner Selbststilisierung
zum "geborenen Erzieher" - und ich stimme ihm darin durchaus zu - eine
Absage an "professionelle Handlungskompetenz" (S. 48; vgl. auch S. 51).
Dem eigenen Anspruch jedoch,
Erziehung gewissermaßen als Hebammentätigkeit zu verstehen -
das zweite zentrale Merkmal seiner Theorie, scheint Spranger in seiner
Erziehungs- und Unterrichtspraxis zumindest nur sehr bedingt gerecht worden
zu sein. Während allerdings im Blick auf seine Erziehung Ernst Löwenthals
noch Selbstkritik gegenüber seinen prometheischen Attitüden anklingt
(vgl. S. 35), kann Sacher in bezug auf die Mädchenerziehung nur noch
einen autoritären Stil Sprangers feststellen, der seine eigenen Wertüberzeugungen
durchdrücken wollte - die zitierten Briefstellen an Käthe Hadlich
geben hierfür einige Belege. Berührungspunkte zu Tenorths Ausführungen
finden sich darin, dass Sacher bei Spranger eine Fixiertheit auf die Werte
und Normen, auf die "Bildungsideale" konstatiert: "Junge Menschen sub spezie
der Werte und Ideale zu betrachten ... verstellt leicht den Blick für
ihre sehr viel facettenreichere Realität und ihre individuellen Entwicklungsmöglichkeiten"
(S. 49). Am Ende seines Beitrags problematisiert Sacher grundsätzlich
die Struktur der Sprangerschen Theorie: Sie sei als erziehungsphilosophischer
Ansatz eher "eine Art ideologischer Überbau einer Praxis, zu deren
alltäglicher Bewältigung es anderer Zugänge" bedürfe
(S. 52). Zumindest im Blick auf den jungen Spranger habe die programmatische
These, sie sei Theorie aus der Praxis für die Praxis, keine Gültigkeit.
Sacher fordert von der Theorie "praktische Handlungsanleitung" (S. 52).
Doch wie soll eine derartige Theorie beschaffen sein?
Der schon mehrfach als scharfer
Spranger-Kritiker hervorgetretene Klaus Himmelstein beschäftigt sich
in seinem Beitrag mit der "Konstruktion des Deutschen gegen das Jüdische
im Diskurs Eduard Sprangers". Himmelsteins Ausgangsthese ist, dass es einen
starken "Zusammenhang von Nationalismus und Antisemitismus in der jüngeren
Geschichte der Philosophie und Geisteswissenschaften in Deutschland" gebe,
der bisher noch nicht genügend erforscht worden sei (S. 54). Himmelstein
weist auf Sprangers antisemitisch eingestelltes Umfeld hin und formuliert:
"Fichte, Treitschke, Paulsen ebenso wie Fontane oder auch der von Spranger
verehrte Schriftsteller und Dramatiker Ernst von Wildenbruch, gehörten
zum antisemitischen, preußisch-protestantischen, wissenschaftlichen
und intellektuellen Kontext Sprangers. Sie artikulierten eine Differenz
zwischen Deutschem und Jüdischem, indem sie behaupteten, die Juden
seien eine Nation in der Nation, ein Volk im Volk, nur ihre Assimilation
könne die ‚Judenfrage` lösen, deshalb müssten sie aufhören
Juden zu sein" (S. 56).
Himmelstein beschreibt sodann
Sprangers "Konstruktion eines wesenhaften Deutschtums oder Deutschseins",
das er nach innen vor allem vom Jüdischen abgegrenzt habe. Als Hauptbelege
für diese These zieht Himmelstein vor allem Briefstellen Sprangers
an Käthe Hadlich heran, rekurriert aber auch auf "Spuren in verschiedenen
Texten des Werkes" sowie auf Sprangers "Verhalten als Hochschullehrer und
Intellektueller" (S. 60). Die ausgewählten Briefstellen an Käthe
Hadlich zeigen erschreckend primitive antisemitische Stereotype im Denken
Sprangers (S. 61 ff.), und Sprangers Nachdenken über die Psychologie
des jüdischen Jugendlichen im Unterschied zum deutschen Jugendlichen
(S. 63 f.) ist mir sehr fremd und aus der heutigen Perspektive überhaupt
nicht mehr nachvollziehbar. Was mich dann wieder wundert, ist, dass die
damalige Vorsitzende des Jüdischen Kulturbundes (und wohl sie nicht
allein) wohl auch an eine spezifische Entwicklung des jüdischen Jugendlichen
glaubte und Sprangers Auffassung verbreitete (vgl. S. 63 f.). Himmelstein
scheint dies nicht zu beschäftigen, jedenfalls lässt er dieses
völlig unkommentiert. Nun noch zu Sprangers "Verhalten als Hochschullehrer".
Himmelstein weist darauf hin, dass "Sprangers Negativ-Bild der Juden ...
ihn im Hochschulbereich sehr energisch gegen die mögliche Berufung
von jüdischen Kollegen ... Stellung beziehen" ließ (S. 64).
Himmelsteins Belege hierfür sind vorrangig Briefstellen an Käthe
Hadlich. Müsste man hierzu nicht dringend noch weitere Materialien
heranziehen? Im Blick auf die Ablehnung Bernfelds: Resultierte diese vorrangig
daraus, dass Bernfeld Jude war? Waren es nicht vielmehr die wissenschaftlichen
und politischen Diskrepanzen zwischen beiden? Kann schließlich aus
Sprangers Ablehnung und Anklage der Psychoanalyse folgende weitreichende
These abgeleitet werden: "Damit billigte er die, wie das damals von Nationalkonservativen
bis zu den Nazis ausgedrückt wurde, ‚Beseitigung des jüdischen
Einflusses`"(S. 65). Ist Sprangers Aussage aus den 50er Jahren eine bloße
Lüge, ein Auslöser für sein Rücktrittsgesuch sei der
Anschlag der "12 Thesen wider den undeutschen Geist" gewesen und dabei
explizit auf die These Nr. 5: "Der Jude kann nur jüdisch denken. Schreibt
er deutsch, dann lügt er" verweist? (2) Genauer nachgehen müsste
man auch noch der Frage, wie Spranger zu seinen jüdischen Schülern
stand. Hat sich Spranger im konkreten Umgang mit jüdischen Menschen
etwas zuschulde kommen lassen? (3) All das sind Fragen, die man sich m.
E. stellen muss, wenn es auch um die Beurteilung des Verhaltens Sprangers
gehen und nicht "nur" sein Verstricktsein in spezifische problematische
Denkfiguren herausgearbeitet werden soll. Ich hätte noch einige weitere
Anfragen an Klaus Himmelstein - dies würde allerdings den Rahmen einer
Rezension sprengen.
Mit Himmelstein will ich
jedoch noch auf Sprangers beschämendes "Schweigen über die Verfolgung
und Ermordung der Juden in der NS-Zeit" nach 1945 hinweisen (S. 67). Wenn
Himmelstein allerdings formuliert, dass "die Ermordung der jüdischen
Bevölkerung während der NS-Zeit ... Spranger nicht (veranlasste),
seinen Entwurf einer deutschen Nationalerziehung kritisch zu überdenken"
(S. 68), dann ist zumindest auf Sprangers Reflexionen über ein unverzichtbares
"europäisches Bildungsideal" und auf sein Eintreten für ein weltweit
friedliches Zusammenleben zu verweisen. (4)
Der Beitrag F. Hartmut Paffraths
trägt die Überschrift "Erziehung nach dem Faschismus. Eine kritische
Anfrage an das Werk Eduard Sprangers." Paffrath weist gleich zu Beginn
seines Beitrags darauf hin, dass seine Überschrift "Erziehung nach
dem Faschismus" eine Affinität zu Theodor W. Adornos "Erziehung nach
Auschwitz" aufweise. Allerdings problematisiert er gleich im Anschluss,
warum er - statt von "Erziehung nach Auschwitz" - "die allgemeiner gefasste
und belangloser erscheinende Formulierung ‚Erziehung nach dem Faschismus`
gewählt" habe (S. 73). Zu problematisieren wäre m. E. allerdings
vorrangig, warum Paffrath von "Faschismus" und nicht - historisch korrekt
- von "Nationalsozialismus" spricht. Nicht der europäische Faschismus,
das nationalsozialistische Deutschland war der Verantwortliche für
den Holocaust!
Paffraths Leitfrage lautet:
"Gibt es - wenn auch nicht von Auschwitz - überhaupt eine Thematisierung
der NS-Zeit bei Spranger und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für
sein pädagogisches Denken?" (S. 73) Bevor er sich jedoch dieser Fragestellung
zuwendet, kritisiert er zwei Stimmen aus den 50er und 90er Jahren, die
Sprangers Werk hoch loben. Dies hält er "aus der Perspektive von Auschwitz
(für) durchaus problematisch" (S. 74 f.).
In seinem nächsten
Gliederungspunkt widmet sich Paffrath in Form von "aphoristischen Impressionen"
dem Thema "Spranger und die NS-Zeit" (S. 75) und gibt Beispiele für
sehr konträre Deutungen. An drei Ereignissen bezieht Paffrath dann
selbst Position: Der bereits mehrfach diskutierte Spranger-Beitrag "März
1933" findet bei Paffrath eine sehr kritische Betrachtung (vgl. S. 77 f.),
das Rücktrittsgesuch Sprangers wird wesentlich auf die "Kränkung"
zurückgeführt, die für Spranger die Ernennung Alfred Baeumlers
(bei Paffrath fälschlicherweise: Bäumler) zum Professor für
Politische Pädagogik an der Universität Berlin ausgelöst
habe (S. 79), den Japan-Aufenthalt Sprangers sieht Paffrath als Verstrickung
in das nationalsozialistische System (S. 79). Trotz auch konzedierter zunehmender
Distanzierung Sprangers vom Nationalsozialismus sieht Paffrath "Berührungspunkte",
"schon von systematischen Aspekten her, von Grundvorstellungen über
Volk, Staat, Dienst und Pflicht, Wehrhaftigkeit oder Gemeinschaft - Perspektiven,
die ebenfalls seinem pädagogischen Denken zugrunde liegen" (S. 8).
- Muss man nicht ebenso deutlich nach den Dissonanzen und Unvereinbarkeiten
fragen?
In einem "kursorischen Überblick"
wendet sich Paffrath anschließend - in teilweiser Anlehnung an Matthes
- Sprangers "Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus nach 1945"
zu. (5) Ein erstes, durchaus zu problematisierendes Fazit lautet für
Paffrath: "Das persönliche Gewissen und seine Erweckung, das ist die
zentrale Mitte, um die Sprangers Denken in seinem Spätwerk kreist"
(S. 82). Die Konsequenzen, die Spranger für sein pädagogisches
Denken aus der Erfahrung des Nationalsozialismus vollzogen hat, versucht
Paffrath exemplarisch an Sprangers Schrift "Erziehung zum Verantwortungsbewußtsein"
zu erörtern. (6) Aus der - explizit eingenommenen - Perspektive einer
kritischen Erziehungswissenschaft (vgl. S. 85 f.) erscheint Paffrath dieser
Text ungenügend, affirmativ, nicht emanzipatorisch und für die
Bewältigung der gegenwärtigen Erziehungsaufgabe ("nach Auschwitz")
nicht wirklich hilfreich. Er erkennt darin "restaurative Dimensionen" (S.
84) - wobei sich "restaurativ" hierbei allerdings keinesfalls auf den NS-Staat
beziehen kann. Paffrath hätte Spranger gerne als überzeugten
(am besten: der kritischen Theorie verpflichteten) Demokraten, er spricht
von Sprangers spätem Sich-Durchringen zum "Vernunftrepublikaner".
(7) Paffrath macht zu Recht deutlich, dass sich Spranger bis an sein Lebensende
schwer tut mit dem Anerkennen einer pluralistischen Gesellschaft und sich
nicht recht lösen kann von Vorstellungen einer "prästabilierten
Harmonie" (S. 86). Dass die Frage nach Kontinuitäten und Wandel im
Denken Sprangers von seinem Frühwerk bis zu seinem Alterswerk jedoch
noch einer genauen Untersuchung bedarf, zeigt z. B. die notwendige Problematisierung
folgender Aussage: Paffrath spricht von Sprangers "deutsch-nationaler Einstellung,
die sich in den zwanziger, besonders Anfang der dreißiger Jahre zunehmend
ideologisiert und eine nationalistische Prägung mit zum Teil imperialistischen
Zügen erfährt" (S. 86). Viel differenzierter und überzeugender
erscheint mir stattdessen die Interpretation zu sein, die Marnie Schlüter
in ihrem Beitrag zu Eduard Spranger im Spektrum des Weimarer Konservativismus
gibt. Für besonders wichtig halte ich ihre Ausführungen zu Sprangers
Bemühungen um eine Reintegration des Individuellen seit Beginn der
dreißiger Jahre. (8)
Während Paffrath sehr
stark seine (ideologie-)kritische Perspektive gegenüber Person und
Werk Sprangers betont, ist dem Spranger-Schüler Gottfried Bräuer
eine solche wohl eher fremd. Seine Ausführungen zu "Wissenschaftsethos
- Über normative Implikationen der wis-senschaftlichen Arbeit" sind
vielmehr von großem Respekt vor den Leistungen Sprangers geprägt.
Bräuer will anhand seines Themas die Diktaturresistenz und die Modernität
Sprangerschen Denkens deutlich machen und damit quasi eine Ehrenrettung
Sprangers, "über den in den vergangenen Jahren ja genug despektierliche
Äußerungen die Runde gemacht haben" (S. 97), betreiben. Noch
ein Wort zur Vorgehensweise Bräuers: er verzichtet im laufenden Text
auf Zitate aus den Werken Sprangers, bringt aber im Anhang zu seinem Beitrag
ausführliche Auszüge aus Texten Sprangers - hierbei zeigt sich
Bräuer, der die ersten beiden Bände der Gesammelten Schriften
Sprangers mit herausgeben hat, als profunder Kenner des Sprangerschen Werkes
und erleichtert den Lesern die intersubjektive Überprüfbarkeit
seines Beitrags.
Bräuers Beitrag rankt
sich um zwei zentrale Thesen: 1. Spranger habe früh die Gefahren einer
sachfremden Hochschulpolitik unter diktatorischem Vorzeichen erkannt. "Seine
wissenschaftsethischen Exkurse sind ein wesentlicher, wenn nicht überhaupt
der wesentlichste Teil seiner intellektuellen Auseinandersetzung mit den
nationalsozialistischen Lehren und Praktiken" (S. 98). Ich kann der These
viel abgewinnen - trotzdem - es bleiben die Kompromisse, die Spranger mit
dem NS-Staat eingegangen ist - Theodor Litt, auf dessen übereinstimmende
wissenschaftsethische Position Bräuer hinweist, war da in seinem Handeln
konsequenter. Zu erwähnen ist auch die Problematisierung der postulierten
"Überparteilichkeit" der Hochschulen, wie sie sich in Litts Vermächtnisschrift
"Freiheit und Lebensordnung" findet. (9) - 2. Spranger habe wichtige Anstöße
und grundlegende Einsichten für eine "Ethik der Erkenntnisgewinnung"
geliefert und mit den Postulaten der Wahrheit, der Sachlichkeit und der
Intersubjektivität zentrale Kriterien vorgegeben. Das Kriterium der
Wahrheitssuche impliziere ein "Wechselverhältnis von Sach- und Selbstprüfung"
(S. 92), Wahrheitssuche sei nicht zu denken ohne ein "Wahrheitsgewissen"
(ebd.).
Ebenfalls mit dem Wissenschaftsverständnis
Eduard Sprangers beschäftigt sich der Beitrag Karin Priems "‚Der ewige
Hunger des Gefühls` - Säkularreligiöse Aspekte in Sprangers
Kulturpädagogik und Kulturpsychologie" (10). Sie gibt zunächst
ein knappes, aber eindrucksvolles Bild der Legitimationskrise der Wissenschaft
zu Beginn des 20. Jahrhunderts und stellt sich in ihrem Beitrag die Frage,
ob Sprangers Kulturpädagogik und Kulturpsychologie zur "`säkularen
Religionsgeschichte der Moderne`" gehörten (S. 125). Zur Beantwortung
dieser Frage beschäftigt sich Priem zunächst mit Sprangers Lektüre
von Schleiermachers Reden ‚Über die Religion`. Dies begründet
sie folgendermaßen: "Interpretiert man die Romantik als Lösungsansatz
einer ersten, vorausgehenden Sinnkrise der Moderne, dann kann Sprangers
Schleiermacher-Lektüre darüber Auskunft geben, welche bereits
vorgefundenen Antworten dieses vernunftkritischen Vordenkers er selbst
zur Bewältigung der aktuellen Sinnkrise am Beginn des 20. Jahrhunderts
für wegweisend hielt" (S. 125). Welche Aussagen Spranger an diesem
Text besonders wichtig waren, entnimmt sie seinen Anstreichungen und Randnotizen.
Hierbei ergeben sich folgende Betonungen aus dem Text: "Berufung bzw. Auserwähltsein
zu Höheren [sic!], Verachtung von Empirie und purer Systematik, Anschauung
und Gefühl als Quellen der Erkenntnis, Bestimmung des Menschen nach
Maßgabe universeller Ideale" (S. 128). In ihrem nächsten Schritt
beschäftigt sich Priem mit "Sprangers Selbstentwurf als Wissenschaftler",
wofür ihn - nach Priem - vorrangig Käthe Hadlich entscheidende
Anstöße gab. Priem sieht klare Parallelen in Sprangers Schleiermacher-Lektüre
und der Reflexion seines Wissenschaftsverständnisses in seinen Briefen
an Käthe Hadlich: zum einen in der "klar geäußerte(n) Vernunft-
und Wissenschaftskritik", zum zweiten in der schwärmerischen Verehrung
"weibliche(r) Ganzheitlichkeit als Korrektiv reiner Vernunft" (S. 132).
Im letzten Teil ihrer Ausführungen fragt Priem noch einmal zugespitzt
danach, ob Sprangers kulturpädagogisches und -psychologisches Werk
eine säkularreligiöse Reaktion auf die Legitimationskrise der
Wissenschaft am Beginn des 20. Jahrhunderts sei. Sie referiert in diesem
Zusammenhang Siegfried Bernfelds Kritik an Sprangers "Psychologie des Jugendalters",
der jener Unwissenschaftlichkeit bescheinigt und deren Erfolg damit erklärt,
dass sie Sinnbedürfnisse befriedige. Priem verweist außerdem
auf das unterschiedliche Wissenschaftsverständnis Sprangers und Max
Webers. Sprangers Kritik an der "positivistischen" Position Webers finde
sich vor allem in seiner Abhandlung über den "Sinn der Voraussetzungslosigkeit
in den Geisteswissenschaften" (1929). Gefühlsfundierte Wissenschaft
als sinngebende Instanz - das war nach Meinung Priems übereinstimmende
Haltung bei Spranger und Nohl (in Bezug auf Nohl verweist sie auf Dorle
Klika 2000), die "nur so ... in einer wissenschaftskritisch bis wissenschaftsfeindlich
gestimmten Epoche die Disziplinbildung der Pädagogik mit großem
Erfolg vorantreiben (konnten): Der mangelnde Glaube an die Wissenschaft,
der Verschleiß ihrer Legitimationskraft wurde von beiden Autoren
durch säkularreligiöse Angebote entkräftet" (S. 138). Die
zentralen Aussagen Priems erscheinen mir durchaus sehr überzeugend,
aber sie bedürfen doch auch der ergänzenden Perspektiven, sie
sind m. E. doch auch nur die "halbe Wahrheit". Zum einen denke ich, dass
die Werturteilsstreitproblematik doch um einiges komplexer ist als sie
in den Ausführungen Priems anklingt. Mich würde interessieren:
betreiben nach Meinung Karin Priems die Vertreter der kritischen Theorie
auch Wissenschaft als "Säkularreligion"? Und außerdem: Gibt
es überhaupt eine (Human-)Wissenschaft, die nicht auch "säkularreligiöse"
Aspekte hat, und ist es nicht am problematischsten, wenn eine Wissenschaft
sich für voraussetzungslos und nicht-normierend hält? Bekommt
vor diesem Hintergrund Sprangers Abhandlung über den "Sinn der Voraussetzungslosigkeit
in den Geisteswissenschaften" nicht doch noch einmal ein anderes Gewicht,
eine Bedeutsamkeit, wie sie in den Ausführungen Gottfried Bräuers
anklingt? Erkennt Spranger nicht doch stärker eine Eigengesetzlichkeit
der Wissenschaft an als es in den Ausführungen Priems deutlich wird?
Sieht er nicht auch die Gefahren der Wissenschaft als "Säkularreligion"
und wirkt er diesen nicht entgegen, wenn er formuliert: "Wenn wir in der
Wissenschaft Werturteile fällen, so müssen sie - das steht a
priori fest - aus dem Geist der Wahrheit heraus gefällt werden und
nicht aus irgendeinem Bedürfnis nach Schönheit oder nach Gemeinschaft
oder nach Erlösung" (zit. n. Bräuer, S. 100; Hervorh. d. Verf.)
und immer wieder die "Idee der Verständigung durch Gründe" (ebd.)
und die unverzichtbare Selbstkritik der wissenschaftlichen Grundlagen betont
(11). Außerdem finden sich in den 20er Jahren bei Spranger immer
wieder auch Texte, die sich mit der kategorialen Ausarbeitung einer Philosophischen
Pädagogik beschäftigen und die "systematische Anstrengung" (Tenorth,
S. 26) nicht scheuen, diese aber auch bei den Rezipienten einfordern.
Spannend an der Lektüre
des vorliegenden Sammelbandes ist also nicht zuletzt, die einzelnen Beiträge
aufeinander zu beziehen. Bezugslinien des Priem-Beitrags lassen sich auch
sehr gut zu den Ausführungen der Spranger-Schülerin Annelise
Fechner-Mahn ziehen, die sich mit der "Kulturverantwortung der Frau bei
Eduard Spranger damals und heute" beschäftigt. Fechner-Mahn war Herausgeberin
der von Walter Bähr zusammengestellten Vorträge über Frauenfragen
und -aufgaben in Sprangerscher Sicht, die unter dem Titel "Stufen der Liebe"
1965 erschienen. Durchgängig ist Sprangers Denken in Geschlechterpolaritäten,
die Frau stehe für das Gefühl, für ganzheitliches Empfinden,
für das Leben, sie sei eine "heilsame Ergänzung" des Mannes (S.
113). Aus der Polarität folgert Spranger, dass "es mit der Kulturverantwortung
der Frau anders bestellt sei als mit der ... des Mannes" (Spranger zit.
n. Fechner-Mahn S. 112). Zeitgenössische Frauen hätten Spranger
dafür geschätzt und verehrt, dass er sie nicht auf die Familientätigkeit
reduziert habe, wenngleich er ihnen ausgewählte Kulturbereiche als
Betätigungsfeld zugesprochen habe; heutige Frauen empfänden dieses
polare Denken jedoch häufig als Einschränkung ihrer Entfaltungsmöglichkeiten.
Eine Erklärung für Sprangers polares Denken sieht Fechner-Mahn
im Briefwechsel Sprangers mit Hadlich, deren Bedeutsamkeit für Sprangers
wissenschaftliches Denken sie ähnlich hoch einschätzt wie Karin
Priem: "Eduard Spranger hat über 60 Jahre hin in Käthe Hadlich
die idealtypische Frau und Partnerin gefunden, die mit ihrem Verständnis
und ihren Reaktionen seinem Streben nach männlicher Selbstverwirklichung
als Gelehrter wesentliche Anregungen und die unbedingte existentielle Basis
gab" (S. 116 f.). Fechner-Mahn selbst hegt Sympathien für das polare
Denken, wobei ich nicht recht erkennen kann, ob sie über das Geschlechterverständnis
Sprangers hinausgehen möchte (S. 119).
Abschließend ist noch
knapp, anhand ausgewählter Aspekte auf den - sehr umfangreichen -
Beitrag Hein Retters "Kulturprotestantismus - Mystik - Gewissensethik -
Sprangers christlicher Humanismus und der Protestantismus heute" einzugehen.
Retter beschäftigt sich zunächst mit dem Einfluss der liberalen
Theologie auf Spranger und kommt zu einem ersten Fazit. "Das Christentum
als die universale und die höchste aller Religionen zu betrachten
war bei vorhandener Toleranz gegenüber anderen Weltreligionen ein
Grundsatz der liberalen Theologie, ebenso Sprangers persönliche Überzeugung"
(S. 149). Die sich neu entwickelnde dialektische Theologie sei Spranger
angesichts ihrer Kulturverneinung ein Stein des Anstoßes gewesen
(vgl. S. 149 ff.). Auch der "Luther-Renaissance" habe Spranger nichts abgewinnen
können, denn es habe Spannungen zwischen der Erbsündenlehre und
der "christlich-humanistischen Bildungsauffassung" Sprangers gegeben (S.
152).
Retter fragt in einem nächsten
Schritt genauer nach den philosophischen Ursprüngen der religiösen
Anschauungen Sprangers (S. 153 ff.) und beschreibt dann den "mystischen
Grundzug seines religiösen Empfindens" (S. 157), der sich angesichts
der politischen Lage in den 30er und 40er Jahren verstärkt habe. An
dieser Stelle sind wir nun bei einem im Sammelband im-mer wiederkehrenden
Thema angekommen - Sprangers Position in der NS-Zeit. Darauf soll auch
in dieser Rezension nochmals das Augenmerk gerichtet werden. Retter spricht
von Sprangers "Prozess der inneren Distanzierung, der sowohl in vielen
seiner brieflichen und privaten Äußerungen belegbar" sei, "als
auch in seinen zeitbezogenen Analysen deutlich" werde (S. 159). Entscheidend
für diese Distanzierung sei "die metaphysische bzw. religiöse
Dimension" in Sprangers Denken gewesen (S. 160). Während seines Japan-Aufenthaltes
sei "die religiöse Thematik zu einem geistigen Anker" geworden, "seiner
politischen Repräsentationspflicht möglichst zu entfliehen" (S.
161).
Nach 1945 habe Spranger
zwar an dem Leitbild des "christlichen Humanismus" festgehalten, "das seinen
Ursprung im deutschen Idealismus nicht verleugnete" (S. 163), er habe allerdings
nach 1945 auch neue Akzente gesetzt. Zum einen habe Spranger nun vor der
"`Gefahr eines falschen Kulturstolzes`" gewarnt (S. 162), zum zweiten habe
er sich auf die Gewissensbildung konzentriert (S. 163 ff.). Weiterhin habe
er allerdings "eine als gültig zu betrachtende, klar konturierte Wertordnung"
unter "Rückgriff auf den Neuhumanismus und die deutsche Klassik" vorausgesetzt.
Spranger sei also "im hohen Alter erst recht ein Konservativer" geblieben
(S. 166), ein antiquierter Kulturkritiker. Allerdings zieht Retter den
Bogen zur kritischen Theorie: „Sprangers konservative Kapitalismus- und
Kulturkritik scheint uns heute nicht so weit entfernt zu sein von jener
Missbilligung der ‚Kulturindustrie’, die durch die Hauptvertreter der ‚Kritischen
Theorie‘, Horkheimer und Adorno, in der ‚Dialektik der Aufklärung‘
geübt wurde, auch wenn deren geistige Wurzeln andere waren“ (S. 167).
Mit dieser für viele sicher provozierenden Aussage Retters soll die
Besprechung seines Beitrages abgeschlossen werden, auch wenn damit viele
weitere diskussionswürdige Aspekte des Beitrags unangesprochen bleiben.
Abschließend: der
Sammelband wirft viele interessante Perspektiven auf das vielschichtige
Werk Sprangers, die einzelnen Beiträge laden zu vielen Rückfragen
ein und mögen den einen und die andere ermuntern, sich erneut mit
Primärtexten Eduard Sprangers auseinanderzusetzen.
Anmerkungen:
(1) Man muss sich hierfür
übrigens nicht nur auf die von Tenorth herangezogene Skizze Sprangers
verlassen. Er hat diese Gedanken auch entfaltet in seiner Schrift „Der
geborene Erzieher“, 1. Aufl. 1958, 2. Aufl. Heidelberg 1960, deren erster
Gliederungspunkt lautet „Das Hebelproblem“; hier tauchen auch die Begriffe
„Regulierwerk“ und „Steuerungssystem“ auf (1960, S. 19).
(2) Vgl. Eduard Spranger:
Ein Professorenleben im 20. Jahrhundert (1953), in: Gesammelte Schriften
X, S. 342-360, hier: S. 350, wo Spranger von der „schamlose(n) Erklärung
gegen jüdische Dozenten“ spricht u. Eduard Spranger: Mein Konflikt
mit der nationalsozialistischen Regierung 1933, in: Universitas 10 (1955),
S. 457-473; hier: S. 460. Nicht unterschlagen möchte ich allerdings
auch den seltsamen Zusatz Sprangers: „Auch wenn ich beklagenswerter Vorfälle
gedachte, deren sich kurz zuvor einzelne jüdische Dozenten schuldig
gemacht hatten und die ich scharf mißbilligte, konnte ich nicht anders
urteilen“ (ebd.).
(3) Litt berichtet z.B.
in seinem unveröffentlichten Interview mit Helmut Heiber, wie schmählich
sich manche christlichen Professoren gegenüber ihren jüdischen
Kollegen – mit denen sie vorher noch befreundet waren – verhalten haben
(vgl. unveröffentlichte Niederschrift eines Interviews von Helmut
Heiber mit Theodor Litt zum Thema: „Die Hochschulen im Dritten Reich“ am
1.12. 1960 in Bonn, Institut für Zeitgeschich-te/Archiv, Sign.: Zs
1814, v.a. Bl. 7 u. Bl. 11).
(4) Vgl. Eva Matthes: Geisteswissenschaftliche
Pädagogik nach der NS-Zeit. Politische und pädagogische Verarbeitungsversuche,
Bad Heilbrunn 1998, S. 112.
(5) Vgl. Eva Matthes: Geisteswissenschaftliche
Pädagogik nach der NS-Zeit, a.a.O., S. 84 ff. - Bedauerlich ist, dass
sich in den Text Paffraths einige Fehler eingeschlichen haben: z. B. die
falsche Schreibweise von Baeumler und Meinecke (S. 81), ungenaue Zitierweisen
(S. 81, S. 82, S. 86) sowie ungenaue Quellenangaben (S. 81) (Es gibt keinen
Beitrag Sprangers „Mein Konflikt mit Hitlerregierung“, der korrekte Titel
lautet: „Mein Konflikt mit der national-sozialistischen Regierung 1933“).
– Wenig hilfreich finde ich auch, dass die verwendeten Spranger-Texte im
Quellen- und Literaturverzeichnis nicht einzeln aufgelistet werden – bei
allen anderen Autoren des Sammelbandes finden sich genaue Quellenangaben
– hier wäre auch der Herausgeber gefordert gewesen. Generell wäre
eine Vereinheitlichung der Quellenangaben in den einzelnen Beiträgen
hilfreich gewesen.
(6) Leider versäumt
Paffrath anzugeben, woraus er den Text zitiert; es gibt zwei Abdrucke a)
in dem Band Probleme einer Schulreform; b) in Sprangers Gesammelte Schriften,
Bd 1. Letzteres trifft zu; die anderen Wiedergaben aus Spranger-Texten
im Paffrath-Beitrag stammen meist jedoch nicht aus den Gesammelten Schriften.
(7) Vgl. Eva Matthes: Geisteswissenschaftliche
Pädagogik nach der NS-Zeit, a.a.O., S. 116.
(8) Vgl. Marnie Schlüter:
Die Aufhebung des humanistischen Bildungsideals. Eduard Spranger im Spektrum
des Weimarer Konservativismus’, in: Apel/Kemnitz/Sandfuchs (Hrsg.): Das
öffentliche Bildungswesen, Bad Heilbrunn 2001, S. 309-321. Zur „Reintegration
des Individuellen“ vgl. S. 319 ff. – Marnie Schlüter regt in ihrem
Beitrag zu Recht an, noch weitere Untersuchungen zur Einordnung Sprangers
in den Weimarer Konservativismus anzustellen.
(9) Vgl. Theodor Litt: Freiheit
und Lebensordnung. Zur Philosophie und Pädagogik der Demokratie, Heidelberg
1962, S. 101 f.; hierzu Matthes, Geisteswissenschaftliche Pädagogik
nach der NS-Zeit, a.a.O., S. 181 f. – Im Nachhinein kritisiert Litt das
fehlende Bekenntnis der Hochschulen zur Demokratie.
(10) Im Sammelband folgt
nun zunächst der Beitrag von Frau Fechner-Mahn; ich ziehe die Besprechung
des Priem-Textes vor, weil die Beiträge von Bräuer und Priem
in gewisser Weise wie wechselseitige Kommentierungen gelesen werden können.
(11) Vgl. Eduard Spranger:
Der Sinn der Voraussetzungslosigkeit in den Geisteswissenschaften, Heidelberg,
3. Aufl. 1964, S. 18 ff.
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